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Während der Integral EuropeanConference zum Thema »Re-Inventing Europe« kamen etwa 200 Teilnehmer zu einerAufstellung zusammen. Ein aufschlussreicher Prozess, der Hinweise gibt auf dienoch zu leistende Integrationsarbeit in Europa.
Wenn Europa die gegenwärtige Krise ohne Rückfall in nationalistische und partikulare Egoismen meistern will, braucht es einen Bewusstseinssprung. Doch ob wir einen solchen Sprung erlebenwerden, ist nicht einfach eine Frage des Denkens und Fühlens. Die gegenwärtige Herausforderung mit ihren Konflikten in und zwischen den Völkern greift tiefer.Sie ist auch Ausdruck von Kräften des individuellen und kollektivenUnbewussten. Sie wollen ins Bewusstsein gehoben werden. Hoffnungen richten sichdabei auf Impulse aus integraler Sicht – können sie doch helfen, aufkommendeGefühle von Unsicherheit, Heimatverlust und Entfremdung verständnisvoller anzugehen und zugleich mit Entschiedenheit für ein humanes Miteinandereinzutreten. Bei der 2. Integral European Conference, die im Mai 2016 am Plattensee von der Integralen Akademie Ungarn und Europe Integral zum Thema»Re-Inventing Europe« veranstaltet wurde, widmeten sich 400 Menschen aus rund 30 Ländern dieser möglichen Bewusstseinsbewegung.
Thomas Hübl, einer der Referenten dieser prominent besetzten Konferenz, stellte dieHerausforderung in den Kontext des Umgangs mit dem kollektiven Schatten. Wiekommen wir von der Reaktion zur Resonanzund von dieser zur Responsibility (Verantwortung)? Inder Reaktion sind wir vom Autopiloten gesteuert,agieren unbewusste Impulse aus. Wenn Angst, Wut, Zorn, Gier, Schmerz, Scham,Schuld oder Stolz ihr Unwesen im Unbewussten treiben, kann daraus viel Leidentstehen. In der Resonanz geben wir Antwort – wirtreten in Resonanz. Im Stadium der Responsibility übernehmen wir Verantwortung für das eigene Denken, Fühlen und Handeln –hoffentlich so, dass es dem Frieden und dem Wohlergehen aller Beteiligtendient. Doch dazu braucht es einen Weg durch die Schattenkräfte des Unbewussten,eine Berührung mit dem abgespaltenen Schmerz, dem eigenen ebenso wie dem kollektiven.
Wie dies möglich sein könnte, zeigte sich auf höchst eindrückliche Weise bei der4-stündigen großen systemischen Aufstellung – für viele Teilnehmer dasHerzstück der Konferenz. Mit Hilfe der sogenannten wissenden Felder wurde hierder Versuch gemacht, Heilungsimpulse für ein friedliches Miteinander imEuropäischen Raum zu setzen. Beteiligt waren daran nicht nur rund 25Repräsentanten für die europäischen Länder, sondern ebenso viele für kollektiveThemen wie: die Seele Europas, der Boden Europas, Krieg, Migration, Flucht,Kolonialismus, Terror, Täter, Opfer, Scham, Frieden, das Männliche, dasWeibliche, die Kinder, der Nahe Osten, Afrika… In einem definierten sakralenRaum, um den herum sich weitere 150 Konferenzteilnehmer gruppierten, wurde dieMitte markiert und die Repräsentantin der Seele Europas gebeten, auf einemThron Platz zu nehmen. Der Prozess begann, indem sich die Länder-Repräsentantenund die Repräsentanten der verschiedenen Energien ohne Worte, nur ihrenImpulsen folgend in den sakralen Raum begaben, ohne dass nach außen erkennbarwar, was oder wen sie repräsentierten. Aus der Fülle der zutiefst berührendenInteraktionen und Interaktionsketten ragte eine in besonderem Maße heraus –warf sie doch ein Schlaglicht auf die Kräfte des individuellen und kollektivenUnbewussten, mit denen wir gegenwärtig zu tun haben. Die Repräsentantin der Seele Europas verließ nach kurzer Zeit ihren Thron, bewegte sich an derPeripherie des Feldes in dem offensichtlichen Bemühen, integrierend und heilendzu wirken. Kaum war ihr Platz frei, bahnte sich eine junge Frau den Weg zudiesem Platz, nahm ihn ein und behielt ihn mit anhaltender Entschiedenheit. Im Rollenfeedback äußerte sie, sich noch nie in ihrem Leben über einen längerenZeitraum so kraftvoll gefühlt zu haben. Um sie herum bildete sich ein Kreis vonverschiedenen Repräsentanten, die ihr huldigten. Andere, so auch die SeeleEuropas, versuchten, sie von ihrem Platz zu bewegen – ohne Erfolg. ImRollenfeedback bekundete die junge Frau, es habe nur zwei Personen gegeben, diesie an der Rechtmäßigkeit ihres Platzes hätten zweifeln lassen. Wie sich späterherausstellte, waren es die Repräsentantin der Kinder Europas und die Repräsentantin Deutschlands.
Scham ist so bedrohlich, dass wir Menschen alles tun, um sie abzuwehren.
Bewegung in das Geschehen kam erst, als die Repräsentantin der Seele Europas nach eigenem Bekunden für sich in Anspruch nahm, »durchstoßen« zu dürfen – so wiedie Seele uns Menschen drastische Impulse gibt, wenn wir ihr nicht zuhören. EinProzess der »Entthronung« setzte ein, behutsam wurde der Stuhl zur Seitegeneigt, behutsam die junge Frau zu Boden gebracht. Dort lag sie – einfach,ganz sie selbst und um sie herum begann eine behutsame Hinwendung und Zuwendung.
Welche Energie repräsentierte diese Person, die sich des Platzes der Seele Europasbemächtigt hatte? Es war, wie sich dann herausstellte, die Repräsentantin der Scham. Aus tiefenpsychologischer Sicht ist dieser Prozess höchst aufschlussreich. Scham – die tabuisierte Emotion (Stephan Marks) – istso bedrohlich, dass wir Menschen alles tun, um sie abzuwehren. Aggression,Flucht, tot stellen sind die archetypischen Muster der Schamabwehr. DasBeschämende wird in den Raum des Unbewussten abgespalten. Die Schamabwehr raubtalle Energie und hält uns im Reaktionsmodus gefangen, da die Schamdynamikenunbewusst bleiben. In der systemischen Aufstellung war dieser Prozess höchstaufschlussreich zu beobachten: Die junge Frau auf dem Thron war der machtvolle Ausdruckeiner Scham, die ins Unbewusste abgespalten ist. Ihre Macht erhielt sich durchdie Energie, die ihr von allen Seiten gegeben wurde, Energie, die aufgewendetwurde, um sie an diesem Platz des Unbewussten zu halten.
In dieses tiefenpsychologische Bild passt auch, welche Repräsentanten sie überhaupt in ihrem Machtanspruch verunsichern konnten. Zum einen war es dieEnergie der Kinder. Zum anderen war es die Repräsentantin Deutschlands, die einen langen intensiven Blickkontakt mit ihr aufnahm. Deutschland hat sich sointensiv mit der Schamdynamik befasst, dass in unserem Land (auch) ein Gespürdafür gewachsen ist, wenn das Einfordern von Scham dem Machtgewinn oder demMachterhalt dient – wenn Beschämung also manipulativ eingesetzt wird.
Hoffnungsfrohstimmt auch, wie mit der »Entthronung« umgegangen wurde. Es war nicht einerneuter Prozess der Abspaltung ins Unbewusste, sondern ein Prozess derachtsamen Hinwendung und Zuwendung. In einem intensiven Prozess der Interaktion,an dem auch die im Umkreis Sitzenden mitwirken konnten, begegneten sich Kräfte,die ausgerichtet waren auf Heilwerden, Ganzheit, Verbundenheit.
Ich sehe die Arbeiten am Plattensee als wichtigen Beitrag, sich mit kollektivenSchattenkräften auseinanderzusetzen. Viele der derzeitigen Verwerfungen inDeutschland selbst, in Europa und zwischen den europäischen Ländern hängenoffenbar mit der Tatsache zusammen, dass die Täter- und Opferdynamikenjahrhundertelanger Kriege und insbesondere der jüngeren Vergangenheit inskollektive und individuelle Unbewusste abgespalten wurden und uns dort imReaktionsmodus halten. Sie wollen gesehen, gewürdigt, akzeptiert werden, sodassunsere Energie befreit ist, das europäische Projekt der Friedenssicherung auchin den stürmischen Zeiten von Finanz- und Flüchtlingskrise zu erhalten und zustärken.
Author:
Prof. Dr. Barbara von Meibom
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