Was können wir tun?

Our Emotional Participation in the World
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Essay
Published On:

February 2, 2021

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Ausgabe 29 / 2021:
|
February 2021
Wissenschaft
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Mit unseren gegenwärtigen gesellschaftlichen und ökologischen Krisen ist es wie mit einer gescheiterten Beziehung oder irgendeiner Situation im Leben, die Probleme verursacht: Am Anfang versuchen wir, die Probleme zu beheben und nicht die zugrunde liegende Ursache anzugehen. Und wir denken, wir können die Dinge wieder in Ordnung bringen. Irgendwann jedoch ist die Krise soweit fortgeschritten, dass sie uns zwingt, die eigentlichen Ursachen zu betrachten. Wenn die vorübergehenden Lösungen auslaufen, kommen die tatsächlichen Probleme ins Blickfeld. Noch versuchen wir auf die Krisen mit Reparaturmaßnahmen zu reagieren. Deshalb glaube ich, dass wir im Moment noch nicht ganz so weit sind. Wir denken, dass die Probleme unserer Zivilisation, unsere ökologischen Probleme zum Beispiel durch eine technische Lösung gelöst werden könnten, indem wir im Wesentlichen die Dinge tun, die wir bereits tun, und das nur ein bisschen besser machen.

Zum Beispiel wird versucht, die nationale Sicherheit dadurch zu erreichen, dass man die ganze Welt einfach ein bisschen besser kontrolliert. Vielleicht könnten wir die Kriminalität stoppen, indem wir überall Kameras anbringen und einen Algorithmus der Künstlichen Intelligenz entwickeln, mit dem wir vorhersagen können, wann jemand ein Verbrechen begehen wird. Oder man geht davon aus, dass wir eine bessere Gesundheit erreichen können, indem wir den Aufenthaltsort aller Personen jederzeit überwachen und zurückverfolgen. Letztendlich versagen auch diese Maßnahmen, wenn es darum geht, Verbrechen und Krankheiten zu stoppen, denn die Bedrohungen, denen wir uns gegenübersehen, passen nicht zu den Technologien und Reaktionen, die uns zur Verfügung stehen. Um nur das Beispiel der menschlichen Gesundheit zu nennen: Wir sind ziemlich gut darin, Bakterien abzutöten, aber wenn es sich um ein Problem wie Autoimmunität oder Sucht oder Depressionen handelt, dann gibt es von außen nichts Schlechtes zu bekämpfen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen, also ignorieren wir es einfach und suchen stattdessen nach etwas, das wir bekämpfen können.

Die Krisen sind also lediglich eine Situation, in der es offensichtlich wird, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen. Diese Erkenntnis bringt den ganzen Mythos der Gegenwart ins Wanken, der uns bislang sagte, was die Welt ist, wie sie funktioniert und wer wir sind. Diese Mythologie bewegt sich auf immer dünnerem Eis. Wir kommen immer mehr in Situationen, die deutlich machen, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen, dass wir nicht wissen, wer wir sind. Wir befinden uns in einem Zustand der Verwirrung. Aber gleichzeitig ist dieser Zustand die Voraussetzung dafür, dass eine neue Geschichte, ein neues Narrativ entstehen kann.

ES GEHT DARUM, WIEDER TEIL DES KREISLAUFS DES LEBENS ZU SEIN.

Was wir wirklich tun müssen, ist wieder eine Beziehung zu den Orten, wo wir leben, also dem Land um uns herum, aufzubauen und unsere Aufmerksamkeit auf die Heilung dieser Orte zu richten. Wir müssen diejenigen Orte schützen, die noch intakt sind, und diejenigen heilen, die beschädigt wurden. Wenn wir das tun, müssen wir natürlich das Fracking, das Bohren nach Öl, den Bergbau und all diese Dinge einstellen. Die Heilung von lokalen Böden wird auch zu einer Verringerung der Kohlenstoffemissionen führen, denn sie wird eine Menge Kohlenstoff im Boden binden. Wenn man sich also tatsächlich auf die Erhaltung und Regeneration des Ökosystems konzentrieren würde, würde der Kohlenstoffausstoß wahrscheinlich sogar noch schneller sinken als mit der derzeitigen Politik. Der Schwerpunkt muss auf der Regeneration von Land und Wasserkreisläufen liegen.

Die wirkliche Grundlage dieses regenerativen Ansatzes ist es, uns als Teil der Natur zu verstehen, zu akzeptieren, dass wir ein Teil der Ökologie sind, und dann danach zu streben, den Gesetzen der Ökologie zu folgen. Dazu gehört in erster Linie: Abfall ist Nahrung. Alles, was wir produzieren, muss also für etwas anderes im Ökosystem nützlich sein. Es ist auch die Wahrnehmung, dass der Kuhdung kein Dreck, sondern ein Geschenk an den Boden ist. Jedes Wesen schafft in der Natur in seinem Lebensprozess die Voraussetzungen für mehr Leben um ihn herum. Wir, die Menschen, können uns an diesem Modell orientieren, indem wir unsere Aufmerksamkeit und unseren Wert, ja sogar unseren wirtschaftlichen Wert bewusst auf Produkte richten, die das Leben um uns herum verbessern. Es geht darum, wieder Teil des Kreislaufs des Lebens zu sein. Wir können uns immer wieder daran erinnern, dass wir ein integraler Teil des Lebens­kreises sind und entsprechend dieser Wahrheit leben.

Author:
Charles Eisenstein
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