Aufstehen

Our Emotional Participation in the World
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October 19, 2016

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Ausgabe 12 / 2016:
|
October 2016
Was können wir tun?
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Die Nachrichten von den Krisen der Welt und vor der eigenen Haustür können uns leicht überwältigen. Wie können wir darauf antworten, konkret und kreativ? Wir haben fünf Aktivistinnen und Aktivisten gefragt:

Was kann jeder Einzelne von uns für die Erde und unsere Zukunft tun?

Marianne Elliott

Zunächst einmal können wir uns entscheiden, aufzuwachen und die Realität um uns herum wahrzunehmen. Wir können beschließen, nicht einfach wegzusehen, uns nicht zu betäuben oder abzulenken. Das erfordert Mut. Wenn wir wirklich aufwachen und sehen, was um uns herum passiert, kann es leicht geschehen, dass wir uns davon überwältigt fühlen oder verzweifeln. Daher ist es wichtig, immer klarer zu verstehen, dass die Dinge nicht zwangsläufig so sein müssen, wie sie sind. Menschen haben sich für dieses Wirtschaftssystem entschieden, das die Erde auf eine destruktive Weise ausbeutet und die Ressourcen ungleich zwischen den Menschen aufteilt.

Daher ist die gute Nachricht, dass Menschen sich auch entscheiden können, die Dinge anders zu machen. Ungleichheit ist nicht unvermeidbar. Umweltzerstörung ist nicht unabwendbar. Wir können also mit Mut und Klarheit beginnen, und dann kommt es darauf an, sich mit anderen zu verbinden. Es kommt darauf an, andere Menschen zu finden, die den gleichen Mut und dieselbe Klarheit besitzen oder bereit sind, diese zu entwickeln. Gemeinsam mit ihnen können wir unsere Kreativität entfalten, indem wir neue Wege finden, uns zu organisieren, neue Wege der Inspiration, neue Wege gemeinschaftlichen Handelns. Das wird für jeden von uns anders aussehen, aber es wird sich zusammenfügen, und daraus wird die Zukunft entstehen, die wir uns wünschen – für uns selbst, für unsere Kinder, für unseren Planeten.

Marianne Elliott, Menschrechtsaktivistin in Gaza und

Afghanistan, Autorin von »Mit dem Herzen einer Kriegerin«.

Sabine Lichtenfels

Sei dir selber treu. Stelle dein Licht nicht unter den Scheffel und tue es auch nicht dorthin, wo es gar nicht brennt. Spiele mit Licht und Dunkelheit, so wie das Leben selbst damit spielt. Du bist es, in dem sich entscheidet, ob Krieg oder Frieden ist. Du bist ein kosmisches Wesen, das hier und jetzt auf dieser Erde ist, um die universellen Kräfte ganz zu verstehen und zu leben. Akzeptiere was ist und fühle, wie es sich in jedem Augenblick durch deine große Gegenwart wandeln kann. Nimm Verantwortung an, für das, was du siehst, für das, was in deiner unmittelbaren Nähe ist. Erkenne: Der einzige Mensch, den du wirklich verändern kannst, bist du selbst. Und indem du dies tust, wird sich deine Umwelt mit dir wandeln. Friede entsteht dort, wo die Kräfte des Lebens sein dürfen.

Sabine Lichtenfels, Friedensaktivistin, Mitgründerin des Friedensforschungszentrums Tamera in Portugal.

Anne Caspari

Ich mag darauf mit Dave Snowdens Maxime antworten: »Wir arbeiten mit dem evolutionären Potenzial der Gegenwart, statt ein Idealbild der Zukunft zu erreichen. Der letztere Ansatz führt zu ständiger Enttäuschung, aber wichtiger noch ist, dass wir die nachhaltige und resiliente aber unvorstellbare Zukunft verpassen.« In diesem Sinne ist die Frage nach der Zukunft fast irreführend. Das Jetzt ist entscheidend: Bin ich frei genug von eingefahrenen Ideen, Meinungen oder Widerständen, mich auf die Welt, so, wie sie jetzt ist, einlassen zu können? Was ist die Qualität meiner Teilhabe an der Welt? Bin ich in Beziehung mit dem, was wirklich passiert, oder mit dem, was passieren sollte? Bin ich in der Gegenwart wach und aufmerksam genug, schwache Signale und Muster zu erkennen?

Das hört sich nach ein wenig Achtsamkeit an, aber es geht um viel mehr. Die konsequente Umsetzung dieser Prinzipien ist radikal und transformativ. Dann gilt es, auf der nächsten Ebene, dem Kollektiven, miteinander in einer solchen Qualität in Beziehung zu treten, dass dadurch Emergenzen hervorgebracht werden, die auf individueller Ebene nicht möglich sind. Ein Aktivismus des 21. Jahrhunderts kann dann neu definiert werden. Er ist nicht reaktiv und nicht idealistisch geprägt, seine Prozesse sind komplex – adaptiv, die Ergebnisse sind emergent. Zukunft braucht einen radikal anderen Umgang mit dem, was ist.

Anne Caspari, Beraterin für Nachhaltigkeit und Transformation, Gründerin von MindShift Integral.

Nicanor Perlas

Wenn wir alle auf dem Level handeln, auf dem wir Einfluss haben, kommt es darauf an, das größtmögliche Bild des Kontextes zu haben, in dem wir stehen, und davon, wie unsere Handlung – ganz gleich, ob sie klein oder groß ist – diesen Kontext unterstützt. Dadurch stimmen wir unser Leben auf die evolutionären Kräfte ab, die unser Universum und unseren Planet geformt und unsere menschliche Lebensreise bisher gestaltet haben. In diesem Prozess ist alles von Bedeutung. Wir verbinden unsere bewusste Absicht mit dem Kontext, in dem wir handeln und vernetzen uns so non-lokal mit dem Feld ähnlicher Absichten, das unseren Planeten umgibt. Damit unterstützen wir den kollektiven Impuls, der sich in Richtung unserer Absichten bewegt, die sich wiederum auf die Richtung des evolutionären Prozesses abstimmen.

Handeln wir aus einer solchen inneren Haltung und gehen damit über selbstbezogene Bedürfnisse und Ängste hinaus, befinden wir uns mitten im Brodeln der evolutionären Möglichkeiten, die sich jetzt, im Zeitalter der bewussten Evolution eröffnet haben. Und damit tragen wir, mag unser Beitrag auch gering sein, zu einem Prozess der Evolution bei, der sich bereits seit 13,8 Billionen Jahren entfaltet.

Nicanor Perlas, philippinischer Soziologe und Umweltaktivist, Träger des Alternativen Nobelpreises.

Velcrow Ripper

Die Krise unserer Zeit hat ein bisher noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht – und bietet eine noch nie dagewesene Möglichkeit. Es stand noch nie so viel auf dem Spiel wie heute, wo sich unsere Welt in eine Klimakatastrophe hi­neinbewegt und politische Instabilität herrscht. Die Situation ist bedrückend und außer Kontrolle. Aber es ist eine heilsame Krise, die uns auffordert zu handeln. Manche verzweifeln und entscheiden sich dafür, nur für sich selbst zu leben. Andere werden wütend. Einige gehen in die Falle, die der Psycho-Historiker Robert Jay-Lifton »psychische Betäubung« nennt. Sie lassen sich von nichts mehr berühren. Und dann gibt es jene, die ihr Surfbrett herausholen und die Welle der Transformation reiten.

Es gibt so viel zu tun, es gibt so viele freie Stellen für Superhelden. Frage dich: Was ist meine persönliche Gabe? Was schenkt mir Freude und lässt mich strahlen? Wenn du deine Gaben nutzt und andere damit unterstützt, wirst du einen für unsere Zukunft bedeutsamen Weg entdecken, der deine Leidenschaft erfüllt und der gleichzeitig dem Großen Ganzen dient. Unser Planet braucht Leidenschaft. Wir müssen uns mit der erotischen, heiligen, kreativen und evolutionären Strömung verbinden, die uns schon seit Äonen vorantreibt. Diese evolutionäre Strömung hat unbegrenzte Macht und Energie. Wenn du dich mit ihr verbindest, werden deinem Surfbrett Flügel wachsen.

Velcrow Ripper, Filmemacher, u. a. von »Rebellen der Weisheit« und »Occupy Love«.

Author:
Marianne Elliott
Author:
Sabine Lichtenfels
Author:
Anne Caspari
Author:
Nicanor Perlas
Author:
Velcrow Ripper
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