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Kailea Frederick wuchs sehr naturverbunden auf der Hawaii-Insel Maui im Pazifik auf. Als Angehörige eines indigenen Volkes war ihr die Beziehung mit Naturräumen von klein auf vertraut. Nachdem sie als Jugendvertreterin bei den UN-Klimakonferenzen die globale ökologische Krise tiefer verstand, versucht sie nun vor allem jungen Menschen die Verbundenheit mit der Erde nahezubringen.
evolve: Du entwickelst ein Projekt, um Menschen die Wiederentdeckung unserer Beziehung zu Naturräumen zu vermitteln. Worum geht es dabei?
Kailea Frederick: Das Projekt ist ein Curriculum namens »Earth is Ohana«. »Ohana« bedeutet in der Sprache Hawaiis »Familie«. Ich bin auf der Insel Maui im Pazifik aufgewachsen. Meine Erziehung und die Tatsache, dass ich einen großen Teil meines Lebens im Pazifik verbracht habe, hat die Art, wie ich das Projekt durchführe, stark beeinflusst.
Letztes Jahr war ich Stipendiat des »Spiritual Ecology Scholarship« (Stipendium für spirituelle Ökologie). Ein großer Teil des Programms befasste sich mit der Frage, was spirituelle Ökologie bedeutet und wie junge Menschen mit den Themen Verbundenheit und Verständnis von Naturräumen arbeiten möchten. Durch die Unterstützung dieses Programms konnte ich »Earth is Ohana« entwickeln und nach Ende des Stipendiums erhielt ich finanzielle Unterstützung, um intensiv an diesem Projekt weiterzuarbeiten.
Die zentrale Frage dabei ist für mich: »Wie üben wir die Rückkehr in unsere Naturräume, um damit unsere Beziehung zur Erde zu erneuern?« Mit dieser Frage habe ich ein umfassendes Kursprogramm entwickelt, bei dem der »Einatem« neuer Informationen mit dem »Ausatem« der Praxis zusammenkommt. Dabei begeben wir uns in Übungen, die ein verkörpertes Verständnis von Themen wie spirituelle Ökologie, Anthropozän und resiliente Systeme und resilientes Denken ermöglichen. Einige dieser Übungen umfassen Lesen und Reflexion oder Kurzvorträge von mir zu diesen Themen. Ein anderes Element sind Dialoge in der Großgruppe und Naturbeobachtungen.
Die Einladung zu dieser tieferen Beziehung zur Erde besteht darin, ein Mensch zu sein
e: Welche Erfahrungen haben dich zu dieser Arbeit geführt?
KF: 2015 unterstützte mich meine Gemeinde auf Maui dabei, als Jugenddelegierte an der UN-Klimakonferenz in Paris teilzunehmen. Die Gemeinde sammelte für die Reisekosten und ich hatte die Aufgabe, etwas von dem, was ich dort lernte, zurückzubringen. Nach meiner Rückkehr hielt ich einige kleine Vorträge in Schulen, denn ich war begeistert davon, junge Menschen zu unterstützen. Nach einem dieser Vorträge mit Fünftklässlern über die globale Erwärmung erhielt ich von einem der Schüler einen Dankesbrief, in dem er schrieb: »Danke, dass du uns gelehrt hast, dass die Erde unsere Familie ist.«
In diesem Moment wusste ich, dass ich genau das tun möchte: Mit anderen Menschen auf ganz praktische Weise die Verbundenheit teilen, die ich mit Naturräumen empfinde. Aber auch über die Herausforderungen informieren, mit denen unsere Erde und wir als Menschheit konfrontiert sind. Ich beschloss, ein Kursprogramm zu entwickeln, in dem all das enthalten ist. Es war und ist ein wunderbares und verrücktes Experiment.
e: Welchen Einfluss hatte deine Erziehung als Angehörige eines indigenen Volkes und die Tradition, aus der du stammst, auf deinen Weg?
KF: Teil meiner Erziehung war, ein spirituelles Empfinden für das Sein zu entwickeln, das der lebendigen Welt innewohnt. Meine Großmutter erzählte mir von klein auf, dass alles lebt und dass wir die Möglichkeit haben, mit der lebendigen Welt zu kommunizieren. Für mich ist es ein großes Privileg, in einer so engen Beziehung zu Naturräumen aufgewachsen zu sein. Auf Maui bin ich auf dem Land ohne Anschluss ans Stromnetz aufgewachsen, wir hatten eine Solaranlage und ein System, um das Regenwasser zu nutzen. Wir haben sehr einfach gelebt, hatten kaum Zugang zu modernen Technologien. Diese Art zu leben, die ich von meinen Eltern lernte, ließ mich erkennen, dass es außer der vorherrschenden westlichen Lebensweise noch andere Möglichkeiten gibt. Das hat meine Einstellung dazu, was es bedeutet, auf diesem Planet Erde ein Mensch zu sein, am stärksten geprägt.
e: Gab es einen Moment, in dem die Art, in der du aufgewachsen bist, mit der Welt, die du später in der Schule und in der Stadt entdeckt hast, kollidiert ist?
KF: Gegen das zu rebellieren, was meine Eltern taten, bedeutete als Teenager für mich, dass ich so »normal« wie möglich sein wollte. Ich wuchs auf als jemand, der so ganz anders lebte als alle anderen, und ich erinnere mich, dass ich zu meinen Eltern sagte: »Ich möchte einfach nur dazugehören.« Damals war es mein höchstes Ziel, normal zu sein. Auf gewisse Weise ist mir das gelungen, und ich passte mich an die allgemeine Denkweise meiner Freunde an. Von außen hatte es den Anschein, dass ich der normalen Laufbahn von College und beruflicher Karriere folgen würde.
Aber ich machte mir auch kritische Gedanken über diese Lebensweise, denn tief innen gefiel sie mir nicht. Als ich siebzehn war, hatte ich viele Probleme in der Schule. Meine Mutter fragte, ob ich die Schule verlassen möchte, um auf andere Weise zu lernen. Ich sagte ja. So verließ ich meine Freunde an der Highschool und begann zu arbeiten. Dadurch stand ich nicht mehr unter dem Gruppenzwang und konnte wieder eigene Gedanken entwickeln. Etwa zu dieser Zeit begann ich zu sehen und zu empfinden, was auf der Welt und mit unserer Erde geschieht. Und mit neunzehn machte ich mich auf die Suche nach Möglichkeiten, um auf das zu reagieren, was ich um mich herum wahrnahm.
e: War dein Weg eine Wiederaufnahme deines kulturellen Erbes oder war es mehr dein eigener Weg?
KF: Ich bin keine indigene Hawaiianerin, meine Vorfahren stammen von den Tahltan und Kaska ab, die im Norden Kanadas leben. Ich war mir immer bewusst, nicht aus dem Land zu stammen, in dem ich aufwuchs. Ich frage mich jetzt oft, was es bedeutet, aus einem indigenen Volk zu kommen. Ich wuchs als indigener Mensch auf, vertrieben vom Land meiner Vorfahren. Was bedeutet das also für mich? Der wichtigste Aspekt ist die Beziehung zum Land, die mich zutiefst geprägt hat und auch heute noch prägt. Anfang des Jahres bin ich nach Kalifornien gezogen. Aufgrund des Mangels eines kulturellen Empfindens, das ich hier erfahre, verstehe ich erst seit diesem Umzug wirklich, womit ich aufgewachsen bin.
In dieser neuen Umgebung frage ich mich: »Welche Aspekte schaffen Kultur und warum sind sie nicht vorhanden?« Es hat viel damit zu tun, dass eine ehrfürchtige Beziehung zu den Naturräumen verlorengegangen ist. Vielleicht fällt den indigenen Menschen diese tiefe Verbindung mit der Erde leichter, denn die jüngsten Vorfahren erinnern sich noch an diese Verbundenheit, sie haben Respekt vor der Erde und kennen den Platz, den sie darin einnehmen. Aber jeder kann eine Beziehung zum Land entwickeln, und das möchte ich in meinen Kursen vermitteln. Man muss nicht unbedingt durch die Vorfahren die Verbundenheit übernommen haben. Die Einladung zu dieser tieferen Beziehung zur Erde besteht darin, ein Mensch zu sein, der sich in einer engen Beziehung mit allen Landschaften dieser Erde befindet.
e: Was möchtest du den Menschen durch deine Kurse bewusst machen?
KF: Für mich geht es letztendlich um tiefes Zuhören. Einander zuhören, in die Natur gehen und den Landschaften zuhören. Dazu gehört das Gefühl, dass auch mir jemand zuhört. Ich glaube, unsere sozialen Konflikte lassen sich auf unsere Unfähigkeit, einander zuzuhören, zurückführen. So einfach ist das. All die Übungen, die ich anwende – wie Lesen, Schreiben, Dialog, das Erleben von Landschaften –, laufen darauf hinaus, wieder das Zuhören zu lernen.
Das Gespräch führte Mike Kauschke.
Author:
Mike Kauschke
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