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Die Transition-Town-Bewegung ist ein vielfältiges Netzwerk regionaler Projekte, die eine nachhaltige Entwicklung und neue Formen des Miteinanders konkret umsetzen. Wir sprachen mit Karin Schulze, einer der Koordinatorinnen des deutschen Transition-Netzwerks, über den Spirit dieser Bewegung für sozialen Wandel.
evolve: Wie bist du zur Transition-Town-Bewegung gekommen?
Karin Schulze: Ich bin Tiefenökologin und bei einer Konferenz über Tiefenökologie vor einigen Jahren wurde die Transition-Town-Bewegung vorgestellt. Das hat mich fasziniert, weil darin etwas gelebt wird, was mir schon immer wichtig ist: die Verbindung eines Wandels in der Welt, den ich auch als einen Heilungsprozess verstehe, und inneren Prozessen des Wandels. Wenn wir als Aktivisten nur im Außen arbeiten, können wir leicht in einem Burn-out landen, denn eine dauerhafte Veränderung ist nur möglich durch die Wertschätzung innerer Prozesse, sowohl bei den Einzelnen als auch in Gruppen und Initiativen, um auch das Miteinander zu verändern. Deshalb sehe ich mich in unserem Transition-Town-Netzwerk auch als eine derjenigen, die diese Verbindung von äußeren und inneren Veränderungsprozessen halten möchte, sowohl in kleinen Gruppen als auch im gesamten Netzwerk.
e: Wie zeigt sich diese Verbindung von innerem und äußerem Wandel in der Transition-Town-Bewegung?
KS: Die Transition-Town-Bewegung hat eine unglaubliche Vielfalt, was mir auch sehr wichtig ist. Es gibt kein festes Programm, wie unsere Grundanliegen verwirklicht werden sollten. In Deutschland gibt es etwa 120 Initiativen, wobei die Prozesse in den einzelnen Initiativen sehr unterschiedlich sind. In der Idee der Transition-Bewegung geht es immer darum, Wandel in Bewusstsein, Empfinden und Handeln zu fördern, also mit Kopf, Herz und Hand in Verbindung zu bleiben. Viele Transition-Town-Initiativen haben zum Beispiel explizite Herz-Seele-Gruppen, um den Bereich inneren Wandels zu halten und weiterzuentwickeln. Dabei geht es auch um Methoden, wie wir wertschätzend miteinander kommunizieren können. Als deutschlandweites Netzwerk sind wir seit drei Jahren dabei, eine Struktur aufzubauen, in der wir möglichst nicht hierarchisch arbeiten, sondern uns als lernendes und lebendiges System entwickeln. Wir haben zwar einen Verein gegründet, sehen ihn aber nur als Dienstleister unseres Netzwerkes. Es gibt einen deutschlandweiten Koordinierungskreis, in dem es verschiedene offene Wirkgruppen gibt wie Öffentlichkeitsarbeit, innerer Wandel, Webseite oder Fundraising. Das ist eine Struktur, in der die Menschen aus den verschiedenen Initiativen mitmachen können. Darin entscheiden wir mit abgestuftem Konsens im Sinne der Soziokratie. Die einzelnen Transition-Town-Gruppen sind sehr stark regional organisiert und haben ihre eigenen Prozesse. Die Netzwerkstruktur hat also einen dienenden oder unterstützenden Charakter. Für den Aufbau dieser Struktur eines lernenden Netzwerks haben wir eine Förderung vom Umweltbundesamt erhalten. Darin geht es darum, das Wissen aus den einzelnen Initiativen zu bündeln, zusammenzufassen und weiterzugeben, nicht nur innerhalb unseres Netzwerkes, sondern auch an andere Bewegungen, Bildungseinrichtungen, Kommunen und Gemeinden.
e: Du bist auch in einer Regionalgruppe aktiv, wie sind dort deine eigenen Erfahrungen mit dieser Verbindung von Kopf, Herz und Hand?
KS: Ja, ich bin in der regionalen Gruppe »Göttingen im Wandel« aktiv. In den regionalen Gruppen gibt es oft verschiedene Themenbereiche und Wirkungsfelder, die in unabhängigen Gruppen angegangen und umgesetzt werden. In Göttingen gibt es zum Beispiel eine Gruppe mit Menschen, die in der Stadt gärtnern, es gibt ein Reparaturcafé und eine Zeittauschbörse. Seit fünf Jahren organisieren wir eine solidarische Landwirtschaft, bei der ein Biolandhof, den es seit über 20 Jahren gibt, von einer Gemeinschaft von Verbrauchern getragen wird, die dafür unentgeltlich die Produkte bekommen.
¬ Dauerhafte Veränderung ist nur möglich durch die Wertschätzung innerer Prozesse. ¬
Für die Verwirklichung unserer Träume und Visionen nutzen wir beispielsweise Projektmanagementmethoden wie das Dragon Dreaming, das sich auf die Weisheit der Aborigines bezieht. Dabei wird zunächst der Traum eines Projektes entwickelt und aus diesem Traum heraus gemeinschaftlich eine Projektplanung erstellt. Diese Methode umfasst eine starke intuitive Seite und es geht um Träumen, Planen, Handeln und Feiern – in der herkömmlichen Projektplanung werden der erste und letzte Schritt oft vernachlässigt.
e: Gibt es in der Transition-Town-Bewegung gemeinsame Werte, auf die ihr euch beruft?
KS: Wir haben vor einem Jahr bei einem bundesweiten Netzwerktreffen eine Transition-Charta verabschiedet, die zwei Jahre lang in einem gemeinsamen Prozess entwickelt wurde. Diese Charta stellt unser Selbstverständnis und einen gewissen Rahmen dar, weil es uns wichtig ist, die Werte zu benennen, aus denen heraus wir uns für einen Wandel einsetzen wollen. Die Charta bildet jetzt unsere Grundlage, die aber auch weiterentwickelt werden kann. Die Transition-Town-Idee bezieht sich stark auf die Prinzipien der Permakultur: achtsamer Umgang mit der Erde, achtsamer Umgang mit den Menschen und gerechtes Teilen. Diese Prinzipien wurden ursprünglich auf die Landwirtschaft und den Gartenbau angewendet, werden aber im Permakultur-Design auch auf gesellschaftliche und soziale Prozesse übertragen.
e: Siehst du in der Transition-Bewegung Anzeichen für ein neues Verständnis von Aktivismus? KS: Ja, das würde ich schon sagen, es beschränkt sich aber nicht nur auf die Transition-Bewegung. Vor zwei Jahren haben BUND und NABU die neuen sozialen Bewegungen zu einem Strategietreffen eingeladen. Dort waren Leute von Initiativen wie Foodsharing, Urban Gardening, Degrowth oder Upcycling. Wir waren etwa 15 Leute aus den neuen sozialen Bewegungen und 15 Vorstände aus BUND und NABU.
Interessant war, dass die Vorstände aus den alten Strukturen heraus argumentierten und darauf hinwiesen, dass sich ihre Arbeit bewährt hat. Aber sie stehen auch vor einem Problem: Diese »alten« Verbände haben deutschlandweit etwa fünf Millionen Mitglieder, aber die Zahl der Aktiven stagniert oder nimmt ab. Gleichzeitig gibt es viele neue aktive soziale Bewegungen, in denen sich viele junge Leute engagieren.
Ein kleines Beispiel für eine Kommunikation, die alle einbezieht, haben wir an dem Wochenende umgesetzt: Wir haben in einer kurzen Zeitspanne im Redekreis gesprochen. Hierbei war es für die Vertreter der Verbände sehr ungewöhnlich, dass man sich zunächst einmal gegenseitig zuhört und alle in der Runde gehört werden. Sie wollten gleich in die Diskussion einsteigen. Für einige war das ein echtes Aha-Erlebnis. Bei den neuen sozialen Bewegungen geht es weniger um den einen richtigen Weg. Die einzelnen Bewegungen sprechen viel mehr miteinander und sehen sich als verschiedene Facetten einer größeren Bewegung. Ich war vor einiger Zeit bei einem großen internationalen Kongress über Solidarische Ökonomie, wo es Gruppen gab, die die Bedeutung von Spiritualität für ein solidarisches Wirtschaften betont haben. Es waren aber auch Alt-Linke dabei, die Kapitalismus-Kritik geübt und Karl Marx zitiert haben. Es war für mich eine besondere Erfahrung, dass die Menschen trotz der sehr verschiedenen Hintergründe miteinander in einen Austausch darüber gingen, welche Gemeinsamkeiten alle verbindet. Bei diesen neuen sozialen Bewegungen wird viel mehr auf das Verbindende geschaut, die alten Muster von Konkurrenz werden hinterfragt. So entsteht auch ein Wandel im Bewusstsein, der eine breitere Basis für den gesellschaftlichen Wandel ermöglicht.
Author:
Mike Kauschke
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Pamela von Sabljar ist Gruppenmoderatorin und berät Organisationen und Führende bei Veränderungsprozessen. Dabei arbeitet sie auch mit dem Feld, das zwischen den Beteiligten entsteht. Wir erforschten mit ihr, wie sich aus der Wahrnehmung dieses Zwischenraums gemeinsame Prozesse anders gestalten lassen.