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Nach den Terroranschlägen 2016 in Brüssel hatte Vincent De Waele den Impuls, der sich ausbreitenden Angst und Unsicherheit etwas entgegenzusetzen und gründete »ReinventingBrussels«. Als eine Organisation, die auf Bewusstseinsentwicklung und Kooperation setzt, hat sie das Ziel, städtische Initiativen, Gemeinschaften und Aktivisten zu verbinden, um gemeinsam die Zukunft der Stadt als Ort der Integration zu gestalten, der in humanistischen Werten gründet.
evolve: Wie kam dir die Idee für Reinventing Brussels?
Vincent De Waele: Am 22. März 2016 explodierten in Brüssel zwei Bomben, eine auf dem Flughafen und eine im Herzen der Stadt in einer Metro. Mein Sohn war 15 Minuten vor dem Bombenanschlag in der Metro, ich befand mich eine halbe Stunde davor dort – der Terror war also ganz nah. In der Innenstadt patrouillierten schwerbewaffnete Soldaten. In Brüssel, dieser offenen und kulturell vielseitigen Stadt, stiegen die Angst und die Sorge der Menschen. Diese Veränderung beschäftigte mich sehr. Es dauerte einige Zeit von den Bombenanschlägen bis zu der Überlegung, etwas zu unternehmen – und es war keine rationale Entscheidung.
Zu meiner persönlichen Praxis gehört seit Jahren, dass ich jogge. In gewisser Hinsicht könnte man es als achtsames Jogging bezeichnen; ich komme in einen freien Bewusstseinszustand, in dem ich die täglichen Anforderungen loslassen und einfach sein kann. In einem dieser Momente wurde mir klar, dass es in dieser Situation in der Stadt vor allem auch die Arbeit auf der Ebene von Bewusstsein braucht, um zu einer tieferen Resilienz zu finden, die der Regression in Angst und Misstrauen widerstehen kann.
Es war eine Art innerer Ruf: Warum sollte ich nicht dazu beitragen, dass die Stadt, die ich so liebe, die Stadt meiner Träume wird? Eine Stadt, die sich nicht durch Angst und Verzweiflung definiert, sondern durch Gastfreundschaft, Innovation, Kreativität und Verbundenheit? Schon bald bemerkte ich, dass ich nicht der Einzige bin, der diesen Traum hat. Es gibt schon so viele Projekte, die Brüssel zur Stadt unserer Träume machen wollen. Aber es scheint, dass wir diese vielen Projekte nicht kennen, oder zumindest nur teilweise. Deshalb habe ich »Reinventing Brussels« gegründet, deren vorrangiges Ziel es ist, all diese Projekte zu entdecken, die Menschen, die darin aktiv sind, miteinander zu verbinden, die Projekte mit Bürgern zu diskutieren und zusammen zu träumen, wie unsere Stadt in Zukunft aussehen soll.
Wir wollen die Projekte, die zum Geist von »Reinventing Brussels« beitragen, erfassen und schließlich in einer Datenbank zusammenstellen. Es sind Projekte aus so verschiedenen Bereichen wie Neue Arbeitswelt, Landwirtschaft und Ernährung, Bürgerbewegungen, Bildung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Kultur, Finanzwesen, Gesundheit, Tourismus oder Spiritualität.
Wie können wir die Städte von morgen fördern und wachsen lassen?
e: Wie hast du das Projekt begonnen?
VDW: Damals hatte ich gerade das Buch »Reinventing Organisations« von Frederic Laloux gelesen, in dem beschrieben wird, wie Organisationen aus einem anderen Bewusstsein des gegenseitigen Vertrauens, der Selbstführung und der Ganzheit arbeiten. Diese Elemente wollte ich auf die Stadt anwenden, die sich vor meinen Augen veränderte.
Zunächst empfand ich es als fast zu groß – eine Organisation neu zu erfinden ist bereits schwierig, aber eine ganze Stadt? Ich arbeite seit mehr als 25 Jahre in der Wirtschaft. Der Ansatz von Laloux hatte eine große Wirkung auf mich, weil meine ganze Vorstellung über Planung, Projektmanagement und »Business als usual« auf den Kopf gestellt wurde. In Zeiten von Verunsicherung ist es so einfach, einen Plan zu machen und ihm einfach zu folgen, aber Entwicklung entfaltet sich nicht linear. Von Beginn an musste ich mein Wissen als Projektmanager vergessen. Um es extrem zu formulieren, musste ich aufhören, mich darum zu sorgen, ob »ReinventingBrussels« ein Erfolg wird. Ich wollte keine Fristen und Ziele setzen, wie ich es seit Jahrzehnten getan habe. Nüchtern betrachtet habe ich nicht die politischen, finanziellen und menschlichen Ressourcen, um eine solch komplexe Stadt wie Brüssel zu transformieren. Aber es war ein persönlicher Ruf, auf die Zukunft zu hören und kleine Schritte zu unternehmen. Das ist es, was wir tun können, ungeachtet dessen, wie hilflos wir uns dabei fühlen: Wir können immer den nächsten kleinen Schritt tun. Man weiß nie, was als Nächstes auf uns zukommt und welche Auswirkung es in einem so komplexen System wie einer Stadt haben wird.
e: Welche Prozesse und Methoden nutzt ihr in eurer Arbeit?
VDW: Neben den Anregungen von »Reinventing Organizations« nutzen wir die Methodologie der »Theorie U« Otto Scharmers und den Lernprozess der U-Labs, um unser Projekt zu entwickeln. Die Theorie ermöglicht einen tieferen Prozess der Ko-Kreation und mit den U-Labs sind wir in ein weltweites Netzwerk sozialer Innovation eingebunden.
Ein Beispiel unserer Arbeit sind Dialogprozesse, bei denen wir zu Meet-ups in einem Co-Working Space einladen. Dabei können sich zum Beispiel Initiativen vorstellen und dann werden ihre Anliegen in Kleingruppen im Dialog erforscht und oft auch neue Erkenntnisse und Handlungsrichtungen gefunden. Solche Initiativen sind zum Beispiel »Brussels Together«, bei der sich Menschen treffen, um Ideen zu Projekten zu machen, also die Ressourcen zu finden, die für die Umsetzung nötig sind, oder »Impact101.brussels«, ein Netzwerk von Start-ups und Unternehmern.
e: Was hast du bisher aus diesem Projekt gelernt?
VDW: Wenn man erst einmal beginnt, erhält man viel Unterstützung. In den Workshops, Meet-ups und Netzwerktreffen, die wir organisiert haben, lernten wir viele aktive Initiativen, Gemeinschaften und Menschen kennen, die bereits daran arbeiteten, in Brüssel neue Impulse zu setzen. Man braucht nicht das Rad neu zu erfinden. Es muss sich erst zeigen, wie viel wir verändern können, aber wichtiger als die Ergebnisse ist vielleicht sogar der Weg, den wir mit gleichgesinnten Menschen gehen und was dabei entsteht. Die Zusammenarbeit selbst ist Ausdruck einer neuen Kultur. Es gibt kein Führungsgremium, sondern wir entwickeln das Projekt gemeinsam. Es liegt an uns, es ständig zu nähren und zu bereichern, damit wir alle mit der Vision des Projekts in Verbindung bleiben. Auf diese Weise wird es zu einem verbindenden Traum – und Träume sind sehr kraftvoll, wenn wir sie miteinander teilen und es wagen, sie zu leben.
e: Wie werden Träume Wirklichkeit?
VDW: Es kann ganz einfach beginnen. Eine Freundin war von den Terrorangriffen erschüttert und reflektierte ihre Erfahrung, in einer sehr diversen Nachbarschaft mit vielen Migranten zu leben. Sie beschloss, dass sie die Menschen in ihrer Nachbarschaft besser kennenlernen wollte, um die Barrieren zu überwinden. Mit wenigen Telefonaten erhielt sie sehr viel Resonanz und es entstand ein Projekt, um den Stadtteil Molenbeek (wo viele der Terroristen herkommen) umzugestalten, an dem sich viele Bewohner beteiligt haben.
Kleine Schritte können zu großen Aktionen führen. Wie können wir die Städte von morgen fördern und wachsen lassen? Dieser Frage gehen wir gemeinsam nach, mit Geduld, Aufmerksamkeit und Hingabe. Und ich hoffe, dass wir dabei bei allen Schwierigkeiten auch zukunftsweisende Antworten finden werden.
Das Gespräch führte Adrian Wagner.
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